Jesekiel Kirszenbaum. Else Lasker-Schüler und Der Sturm

Jesekiel Kirszenbaum. Else Lasker-Schüler und Der Sturm

Im Programm der „Jüdischen Kulturtage Rhein-Ruhr“

Jesekiel David Kirszenbaum wird 1900 in Staszów, damals Russland, heute Polen, in die chassidische Lebenswelt der ost-jüdischen Schtetl geboren. Seine Mutter sieht aufgrund ihres Alters von 50 Jahren in der Geburt des Kindes ein Wunder und verehrt seitdem inbrünstig den Rabbi Zaddik Kalmisch. So zitiert der Fünfjährige aus der Bibel die Bücher Moses auswendig und übersetzt sie frei aus dem Hebräischen. Seine künstlerische Begabung ist schon früh sichtbar, doch bleibt ihm der Zugang zur Kunstakademie in Warschau verwehrt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs geht Kirszenbaum ohne finanzielle Mittel in das rheinisch-westfälische Kohlerevier und arbeitet in Dortmund in einem Bergwerk. 1924 erreicht er sein angestrebtes Ziel, hat genug Geld beiseite gelegt, um in Weimar am Bauhaus studieren zu können die einzige Schule von Weltruf, an der er als galizischer Juden ohne Schulbildung Kunst lernen kann.

Selbst am energiegeladenen Bauhaus fällt Kirszenbaums ungewöhnliche künstlerische Begabung auf, Kandinsky und Klee setzen sich für ihn ein, er soll Meister, also angestellter Lehrer werden. Gropius lehnt ihn ab. Über den Freund und Bauhaus-Schüler, Paul Citroen, lernt er Herwarth Walden, den Ex-Mann von Else Lasker-Schüler kennen und der stellt ihn 1927 in seiner Berliner Galerie Der Sturmaus. Walden will damit an die erfolgreichen Ausstellungen mit Marc Chagall aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfen. Zum erhofften Durchbruch kommt es jedoch nicht. Jesekiel Kirszenbaum wird aber Teil der Berliner Kunstszene, arbeitet als Karikaturist für den Ulk, Querschnitt und Die Rote Fahne, stellt ab 1929 als Mitglied des ASSO (Assoziation revolutionärer bildender Künstler Deutschlands) regelmäßig aus. Der Illustrator wird Teil der Berliner Bohème, deren Herz Else Lasker-Schüler ist.1933 flieht Kirszenbaum mit seiner Frau nach Frankreich und schließt sich der École de Paris an, gibt Alix de Rothschild, der Frau des Bankiers Guy de Rothschild, Malunterricht.

Nur Dank der unermüdlichen Recherche des Neffen Kirszenbaums, Nathan Diaments, kennen wir heute Facetten der Biografie des Künstlers, können einen Überblick über sein künstlerisches Werk geben, besitzen schriftliche Quellen, wie Briefe und Fotos. Viele Zusammenhänge lassen sich leider nur erahnen und bedürfen weiterer intensiver Forschung. Wir wissen aber, dass das Leben Kirszenbaums in Paris Ende der 1930er Jahre immer schwieriger wird, bis zur Zerstörung seines Ateliers und der nahezu vollständigen Vernichtung seines Frühwerks. 1942 flieht er ins Limousin und überlebt dort versteckt den Krieg und die Ermordung der Juden Europas.

Nach der Shoa ist er ein schwer traumatisierter Mensch. Seine Frau Helma wird in Auschwitz ermordet, viele seiner Freunde, wie der Künstler Felix Nussbaum, nach dem schon im April 1945 in Brüssel sucht, sind nicht mehr auffindbar. Er beginnt wieder zu malen, doch seine Bildwelt ist jetzt eine ganz andere, führt ihn in der Verarbeitung des Erlebten und Erlittenen weit in die Abstraktion. Alix de Rothschild schickt ihn nach Brasilien, hofft dass er fernab von Europa wieder zu sich findet, doch ohne Erfolg. 1954 stirbt Jesekiel David Kirszenbaum in Paris.

Das Zentrum für verfolgte Künste dankt den Jüdischen Kulturtagen Rhein-Ruhr und dem Goethe-Institut Tel Aviv für die Unterstützung dieser Ausstellung. Inna Goudz steuerte mit ihren Kirszenbaum-Studien wichtige Thesen bei und zusammen mit Jürgen Vits baute sie die Brücke zwischen dem Zentrum für verfolgte Künste und den beiden Neffen Kirszenbaums Amos und Nathan Diament. Ohne sie wäre Kirszenbaum vergessen, ohne sie und die weiteren privaten Leihgeber wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen. Ihnen allen gilt unser großer Dank.