Zeiten des Umbruchs – Vor 100 Jahren

Zeiten des Umbruchs – Vor 100 Jahren

Erster Weltkrieg – Novemberrevolution – Weimarer Republik

Kunstwerke aus der Sammlung Gerhard Schneider

Wilhelm Schnarrenberger (1892-1966) Bekanntgabe des Kriegszustandes am 31. Juli 1914, Lithographie

Der Umbruch kündigte sich bereits 1906 an. Das Programm der „Brücke“ besagte: „Mit dem Glauben an Entwicklung an eine neue Generation … rufen wir alle Jugend zusammen und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften.“ 

Viele Künstler zogen begeistert in den Krieg. Davon zeugt in der Ausstellung eine Reihe von Blättern aus der „Kriegszeit Künstlerflugblätter“, die vom August 1914 bis zum März 1916 erschienen. Max Liebermann, Ernst Barlach oder Willy Jaeckel sind nur drei der bekannteren Vertreter. Mit dem Blatt von Käthe Kollwitz „Das Bangen“ kommt ein erster kritischer Blick in viele euphorische Darstellungen. Als sie die Lithographie gerade zur Veröffentlichung freigegeben hatte, erhielt sie die Nachricht vom Tod ihres freiwillig in den Krieg gezogenen Sohnes Peter. 

Und Max Beckmann, der anfangs des Krieges noch schrieb „Meine Kunst kriegt hier zu fressen“, findet sich in der „Kriegszeit“ wieder mit einem Bildnis des Hauptmanns Martin Tube „Andenken an einen gefallenen Freund“. Kurze Zeit später wurde er als Sanitätssoldat, der das Erlebte nicht mehr ertragen konnte, aus psychischen Gründen entlassen. Abgesehen von August Macke, Franz Marc oder Wilhelm Morgner, die zwischen 1914 und 1916 fielen, ist Otto Dix der Bekannteste, der den Krieg überlebte und uns erschütternde Dokumente hinterließ. 

Die Ausstellung wartet aber vor allem mit Beispielen vieler bislang wenig Gewürdigter auf. Ein Augenmerk zieht die höchst kritische farblithographische Folge „Krieg – 7 Blätter allen Völkern gewidmet“ von Willibald Krain auf sich, die er 1916 nur in der neutralen Schweiz herausbringen konnte. Am eigenen Leibe erfahrene Kriegserlebnisse sind u. a. mit Arbeiten von Otto Fischer-Trachau, Waldemar Flaig, Erich Fraaß, Fritz Fuhrken, Rudolf Heinisch, Franz Markau, Max Pechstein, Heinrich Steinhagen, Heinrich Stegemann oder Fritz Steisslinger zu finden. Karl Schmidt-Rottluff stellt aufgrund der Unmenschlichkeit der Kriegsgräuel und des maßlosen Leids in seinem beeindruckenden Holzschnitt von 1918 die Frage „Ist euch nicht Kristus erschienen “? 

Für Deutschland endete der Erste Weltkrieg mit der Revolution. Ein geplanter aussichtsloser Einsatz eines in Bremerhaven und Kiel stationierten Geschwaders löste Befehlsverweigerungen aus. Den aufständischen Marine- Einheiten schlossen sich bald tausende streikende Kieler Werftarbeiter an. Soldaten- und Arbeiterräte stellten die Forderung nach einem sofortigen Friedensschluss auf – einschließlich der Abdankung des Hauses Hohenzollern und einem allgemeinen Wahlrecht. 

Diese Ideen verbreiteten sich innerhalb weniger Tage über ganz Deutschland und erreichten am 9. November mit der erzwungenen Abdankung des Kaisers und der Proklamation der Republik durch Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstags in Berlin ihren formalen Höhepunkt. 

In der Ausstellung findet der Besucher Arbeiten, auch ganze Zyklen, zu verschiedenen Phasen der Revolution. Die Situation auf der Straße spiegelt eindrücklich Albert Birkles Zeichnung „Unter den roten Fahnen“ von 1919. 

Zur Thematik „Revolution“ insgesamt wird der Besucher konfrontiert mit Arbeiten u. a. von Erich Fraaß, Franz M. Jansen, Otto Lange, in den Folgen „Die fiebernde Straße“ von Willibald Krain, „Revolutionszeit“ von Magnus Zeller und fünf Blättern aus dem „Totentanz“ von Hans Ludwig Katz. Künstler schufen sich mit der „Novembergruppe“ eine eigene Revolutionsinstitution. Ihr Programmheft „An alle Künstler“ mit einer Coverillustration von Max Pechstein ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. 

In der Polarität von Trostlosigkeit und Lebenslust entstand in der Weimarer Republik eine breitgefächerte Kulturszene. Aus heutiger Sicht bezeichnen wir diese Zeit auch als „Tanz auf dem Vulkan“, weil kaum jemand die Gefahr absah, die sich aus dem aufkommenden Nationalsozialismus ergab. Diese Situation spiegelt sich in den Arbeiten von Franz M. Jansen, Friedrich G. Einhoff, Conrad Felixmüller, Otto Fischer-Lamberg, Käthe Kollwitz und Erna Schmidt-Caroll. Einen Höhepunkt bildet hier die Folge „Von morgens bis mitternachts“ von Bernhard Kretzschmar 

Die Ausstellung würdigt zudem den 80. Geburtstag des Sammlers und Stifters Dr. Gerhard Schneider.