Aus der Isolation vorgestellt: Hank Zerbolesch

Aus der Isolation vorgestellt: Hank Zerbolesch

Wut. Meine ersten Wochen nach #stayhome waren gezeichnet von Wut. Aufwühlender und unnachgiebiger Wut. Ich war wütend auf Kollegen, die die Bühne entmystifizierten. Wütend auf Menschen, die Abend für Abend an ihren Fenstern standen und klatschten. Wütend auf meine Nachbarn, auf den Staat, auf den Mann vom Büdchen und auf alle, die Toilettenpapier aus den Supermärkten karrten. Ich war so voller Wut, dass ich mir – eingesperrt in eine Wohnung ohne allzu viel Tageslicht – nicht anders zu helfen wusste, als zu trinken und zu schreiben, immer weiterzuschreiben, die Wut aus dem Körper schreiben, aus dem Kopf, aus dem Fleisch, egal, nur raus damit, ungebremst und ungefiltert, wütend, wütend und laut. Ich programmierte eine Website für all diese Wut. Eine Website, die so laut sein sollte wie die Stimme in meinem Kopf und die Wut in meinem Fleisch. Heute kann ich sagen, dass dies der richtige Weg – der einzige Weg – war, mich selbst durch diese so dünnhäutige Zeit zu manövrieren. Mein Kühlschrank ist noch nicht leer, niemand wurde ernsthaft verletzt und Toilettenpapier ist noch von vor den Hamsterkäufen da. Aber auch wenn ich als Schriftsteller von den Zeiten zehre, die mich und alles, was ich bin und habe, infrage stellen, möchte ich doch gerne auf eine zweite Krisen-Amtszeit verzichten. Bitte.

Vita

1981 in Düsseldorf geboren, lebt Hank Zerbolesch seit 2004 in Wuppertal. Er schreibt Romane, Hörspiele, Kurzgeschichten. Meistens über Menschen, häufig über Zustände, oft über einen Mangel. Eine der für ihn drängendsten Fragen ist, warum Menschen tun, was sie tun. Antworten sucht er im alten Oi! und im neuen Rap. Seine Arbeiten sind inspiriert von der Theorie des Minimalismus und Künstlern wie Moses Pelham, Mark Rothko, Ernest Hemingway und Charles Bukowski.

2020 veröffentlicht Hank das vierteilige literarische Mixtape „Morbus Leben – Räuberhörbuch.
2018 erschien sein Antiroman „RAW“, bei Periplaneta.
2017 startete Hank die Social Media Aktion #Geschichtenvonhinterdertür. Hierfür fotografiert er Türen und stellt die Frage, was dahinter geschieht. Seine Antworten verpackt er in kurze Geschichten, die er fortlaufend in seinem Instagram-Profil veröffentlicht.
2016 erschien sein Debütroman „Verhaltet euch unauffällig“ bei Periplaneta. Kurz darauf brachte Hank sein zweites Live-Hörspiel „Geheimnis um das verschollene Pep“ auf die Bühne.
2015 erschien das von ihm geschriebene und produzierte Hörspiel „Die Zeitmaschine“ bei Periplaneta.
2014 veröffentlichte er seinen ersten Kurzgeschichtenband „Rausch-Hour“, ebenfalls bei Periplaneta. Anschließend bespielte er mit dem Gitarristen PolyDil und der Show Vom Scheitern bundesweite Kleinkunstbühnen. Noch im selben Jahr fand die Premiere seines ersten Live-Hörspiels „Die Zeitmaschine“ statt.
2012 schuf er mit der „Podcastpoesie“ eine Plattform, für die er mit verschiedensten Poetry-Slammern Soundclips aus Text und Musik produzierte.

Ich hoffe die hören bald wieder auf. Mit Klatschen, mit Bevormunden, mit allem. Das macht kein Spaß so. Noch weniger als ohnehin. Ich trink so lange einfach weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Je länger ich mit mir alleine bin, umso mehr fluche ich. Ich hab noch nicht raus, ob das daran liegt, dass ich die Welt hasse, oder doch mich. Wahrscheinlich die Welt. Oder eher die Menschen. Machen dir ein schlechtes Gewissen, wenn du ne Runde um den Block läufst, weil dir in deinem dunklen Hinterhofzimmer das Gemüt noch schwärzer wird als es sowieso schon ist. Und dann machen die das immer so subtil. Mit der Art von Blick, den die Alte aus der Büroküche so gut draufhat, wenn du deine Kaffeetasse nicht sofort wieder wegspülst. Wer bitte spült seine Kaffeetasse gleich wieder weg? Was muss das für ein armseliges Leben sein, wenn man alles immer sofort und auf der Stelle wegspült? Bei mir ist alles weggespült. Aber mein Leben ist grad auch armselig. Theorie bestätigt, könnt ich dissertieren. Zeit hätt ich. Aber Doktoren gibt’s grad schon genug. Jeder in diesem gottverdammten Land ist ein scheiß Arzt. So wie bei der WM plötzlich alle Fußballtrainer sind. „Der Löw, der muss jetzt –“ Halt die Fresse, setzt dich hin, wir machen ne Challenge. Und wenn dieser Shutdown vorbei ist, alles Fallobst verbuddelt ist und die Überlebenden wieder das machen, was sie am besten können: rumheulen wie scheiße alles ist, dann kommt der eigentliche Kraftakt für das Gesundheitssystem: das Behandeln der ganzen Korsakof-Syndrome. Fällt ja gerade noch nicht so auf, wenn den ganzen Tag irgendwelche Spacken auf ihren scheiß Balkonen stehen und klatschen. Das wie Michael J. Fox, der immer so hibbelig Dinge von einer Hand in die andere geworfen hat, dass man dachte: „Dicka, was los mit dir? Am Stromkabel gelutscht oder was?“, und dann kommt irgendwann raus, dass das ein Überspielen von Symptomen war; Parkinson.

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Liste von Veröffentlichungen: http://zerbolesch.de/index.html