Kunstwerk Leben

Kunstwerk Leben

Von der hoffnungsvollen Wahlverwandtschaft zwischen Kunst und Medizin bis zu den nationalsozialistischen Verbrechen Bilder, Installationen und Objekte zu Medizin, Menschenwürde und Hoffnung

Nach einer Idee von Dietrich Grönemeyer, Kurator Jürgen Kaumkötter.

Medizin ist ein ursächlicher Bestandteil unserer Kulturgeschichte, der älteste nach dem Essen. Aus der Beschäftigung mit Körper, Seele und Geist sind Sitten und Gebräuche, Kunst und Literatur erwachsen. Von Anfang an, in dem Maße wie die Menschheit zum Bewusstsein ihrer selbst gelangte, wirkte die Medizin als Identität stiftender Kulturträger. Weil sie das existentielle Grundbedürfnis aller berührte, hat sich die Medizin längst auch als der Nukleus einer modernen Weltkultur erwiesen, jenseits politischer oder historischer Verwerfungen. Darüber hinaus offenbart die verführte Medizin den verbrecherischen Abgrund der totalitären Diktaturen des letzten Jahrhunderts.

Bewegt vom Urtrieb der Lebensgestaltung, musste die Medizin zu allen Zeit das besondere Interesse der Kunst erwecken, nicht nur als Gegenstand der Abbildung, sondern mehr noch als Pendant eigenen Schaffens, des schöpferischen Bemühens um das Leben. Hier besteht eine Wahlverwandtschaft, deren Geschichte eindrucksvoll zu entdecken ist, weit zurückreichend und vorausweisend zugleich. Von der Antike bis in die Gegenwart spannt sich der Bogen. Gemälde, Graphiken, Installationen, Performance und Videos, Werke von Dürer, Goya, Beuys, Abramović, Viola oder Toscani, verschmelzen mit philosophischen, ästhetischen, literarischen und medizinischen Zeugnissen, mit Kommentaren von Platon, Diderot und d’Alembert, Schiller, Hegel, Benn, Virchow, Freud, C. G. Jung, Gadamer, Weizsäcker, Uexküll oder Sloterdijk. Aus den Teilen entsteht das Ganze: ein erzählendes Panorama mit historischer Tiefenschärfe. Wie der humane Anspruch so gehört die diabolische Versuchung zu der erzählten Geschichte, bis hin zum medizinischen Verbrechen und seiner artifiziellen Spiegelung während der Zeit des Nationalsozialismus. 

Elfriede Lohse-Wächtler, die aufstrebende Künstlerin der 1920er-Jahre, die nach einem Nervenzusammenbruch 1929 in eine Klinik kam und dort ihre beeindruckenden Friedrichsberger Köpfe schuf, wird in der Ausstellung eine zentrale Rolle einnehmen. Sie fand in der Psychiatrie nur vordergründig Schutz und wurde 1940 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein in der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion „T4“ ermordet. Das literarische Werk des DDR Dissidenten Jürgen Fuchs ist in der Literaturdauerausstellung im Zentrum für verfolgte Künste präsent. Sein Krebstod wurde vermutlich durch mehrfach absichtlich verabreichte Überdosen von Röntgenstrahlen während Verhöre durch die Staatssicherheit der DDR ausgelöst. Medizin, die nicht heilt, die mordet.

Medicine in Art

Ausstellung im MOCAK Museum für Gegenwartskunst Krakau. Vorlauf zur Solinger Ausstellung „Kunstwerk Leben“

Medicine in Art is the sixth in the series that confronts important aspects of life with their artistic interpretation. After history, sport, economy, crime and gender, it is time to examine the inspiration of medicine and the potential appears to be enormous. Medicine is a mine of symbolic references and thus an artists’ paradise. There you can find themes that touch upon all the dilemmas of humanity. There is death and the dream of eternal life. There is physical weakness and psychological strength. There is pain and victory. There is body and soul.

 

Medicine is a tool that enables man to oppose his looming fate. The human being has been dissected into parts, of which each has a symbolic dimension. At the same time, medicine is an area of inspiring contradictions. It can be a source of agony but also liberation. In its territory, suffering meets compassion. Here, knowledge vies with shamanism and helplessness falls victim to perverse murder. Medicine is a striking narrative about the range of human conditioning, and this is why it has long been an important thematic area for artists.

Our exhibitions from this series always include a few items of art from the past. Because of its ‘timeless’ theme, Medicine in Art will be presenting more works of old art, which we will bring closer to contemporaneity, both through context and interpretation.