Ryszard Krynicki Sehen wir uns noch

Ryszard Krynicki Sehen wir uns noch

Für mich ist die Poesie die höchste Bewusstseinsform, ein besonderer Geisteszustand, der es mir ermöglicht, über die Welt zu reden. 

Im März 2017 gibt der Hanser Verlag einen neuen Band mit gesammelten Gedichten des polnischen Schriftstellers Ryszard Krynicki heraus. Anlässlich dieser Veröffentlichung mit dem Titel Sehen wir uns noch? widmen das MOCAK und das Zentrum für verfolgte Künste dem Autor eine Ausstellung. Präsentiert werden Plakate mit Gedichten von Ryszard Krynicki – ausgewählt vom Dichter selbst – sowie deutsche und polnische Erstausgaben seiner Gedichtbände. Ein vom MOCAK gedrehter Film, in dem Ryszard Krynicki von der Liebe zur deutschen Literatur erzählt, ergänzt die Ausstellung. „Videos sind ein wichtiger Teil der Konzeption unserer Ausstellungen. Uns geht es darum, Künstler so zu präsentieren, dass ihre Präsenz im Museum zur Geltung kommt“, betont Maria Anna Potocka, die Direktorin des MOCAK. Der Journalist Jürgen Serke unterstützt das Ausstellungsprojekt zudem mit Fotografien von Wilfried Bauer (1944 – 2005). Bauer begleitete Serke in den 1970er Jahren nach Gorzów Wielkopolski. Die nach der Reise in dem Erinnerungsbuch „Nach Hause. Eine Heimat-Kunde“ veröffentlichten Fotografien der Stadt, der Landschaft und ihrer Menschen werden im Rahmen dieser Ausstellung erstmals öffentlich ausgestellt.

 

Ryszard Krynicki wurde 1943 im NS-Arbeitslager Windberg im St. Valentin geboren. Nach dem Krieg erhielt die Familie eine Unterkunft im ehemals deutschen Landsberg an der Warthe, dem heutigen Gorzów Wielkopolski zugewiesen. Als Krynicki dorthin kam, hatte der Journalist und Autor Jürgen Serke diese seine Geburtsstadt gerade verlassen müssen. Krynicki und Serke haben der neuen und der verlorenen Heimat literarische Denkmale gesetzt. Der eine mit Poesie, der andere mit einem Buch und Fotografien von Wilfried Bauer, die nun erstmals in der Ausstellung Sehen wir uns noch? in der Literaturabteilung des Solinger Zentrums für verfolgte Künste öffentlich ausgestellt werden.

 

Ryszard Krynicki ist heute einer der bekanntesten polnischen Dichter. Sein Weg dorthin ist jedoch geprägt von Veröffentlichungsverboten und Zensur. Krynicki debütierte Ende der sechziger Jahre als Teil der Künstlergeneration „Nowa Fala“ [dt.: Neue Welle]. In seinen gesellschaftlich und politisch engagierten Gedichten nutzte er in ironischer Weise die offizielle Sprache der Straße, von Zeitungen und offiziellen Verlautbarungen. 1975 unterzeichnete er den Brief der 59, mit dem Intellektuelle gegen die Änderung der Verfassung der Volksrepublik Polen demonstrierten. Daraufhin belegte ihn das „Hauptamt für die Kontrolle der Presse, von Publikationen und Schauspielen“ von 1976–1980 mit einem Veröffentlichungsverbot. Selbst der Name des Dichters durfte in Publikationen nicht genannt werden. Um die Zensur zu umgehen, veröffentlichte Krynicki zwischen 1976–1989 seine Gedichte ausschließlich in Untergrundverlagen und Exilzeitschriften wie der Pariser „Kultura” und dem Londoner „Oficyna Poetów”. In den Jahren 1978-1981 war er Redaktionsmitglied der ersten unabhängigen Literaturzeitschrift „Zapis”, die im Untergrund Polens sowie in London erschien. Von 1982 bis 1988 gehörte er der Redaktion der Untergrundzeitschrift der Solidarność “Obserwator Wielkopolski” an.

 

Seit 1988 betreibt Ryszard Krynicki zusammen mit seiner Ehefrau Krystyna den Verlag Wydawnictwo a5, in dem vor allem Poesie publiziert wird. Seit 1991 gibt der Verlag die Reihe „Biblioteka Poetycka Wydawnictwa a5” [dt.: Poetische Bibliothek des Verlags a5] heraus. Nach 2000 veröffentlichte Ryszard Krynicki zwei neue Gedichtbände, Kamień, 2/3