Wider den schönen Schein der Welt. Der Expressionist Werner Scholz

Wider den schönen Schein der Welt. Der Expressionist Werner Scholz

Erst seit einem Auftrag für die Krupp – Werke 1955 widmete Werner Scholz sich nach langen
Jahren in der Einsiedelei wieder der Aktualität, indem er Menschen und Industriewelt des
Ruhrgebietes malte: „Duisburg Ruhrort Hafen“, „Brücke bei Rheinhausen“, „Förderturm“ oder „Der
Bergmann“.
Wer war der heute nahezu Unbekannte? Werner Scholz studierte nach dem Zweiten Weltkrieg an
der Kunsthochschule Berlin. Weil er im Krieg den linken Unterarm verlor, konnte er keine
Leinwände aufziehen und malt nur mit Ölfarben auf dicker Pappe. Die Zerstörung seines Ateliers
1943 bedeutet den Verlust vieler Frühwerke. Ende der Zwanziger Jahre entstehen
außergewöhnliche Bilder, die den Ruf des Künstlers begründen. Das Gemälde „Mord“ von 1930
setzt die Figuren wuchtig in Szene. Das Hauptmotiv, ist nahezu quadratisch, schiebt alles andere
brutal zur Seite. Die dynamisch ins konische verzerrten Formen ergeben eine Vorstellung, die auf
engstem Raum zusammengedrängt erscheint. Die Bilder dieser Zeit zeigen Menschen in einer
verlogenen und unehrlichen Gesellschaft. Er stellt aus in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Essen
und Witten.
Scholz ist der Zustand der Gesellschaft sehr bewusst. Am 17. Januar 1931 schreibt er in sein
Tagebuch: „Ja, es ist höchste Zeit, sich der wütenden Kulturzerstörerei der Nazis
entgegenzustellen… . Die Frevel, die sich Faschisten bereits auf legale Weise leisten können,
müssen in ihrer Verantwortungslosigkeit vor der gesamten Öffentlichkeit demonstrativ aufgezeigt
werden. Und …die immer wieder in die Gehirne hämmert, was sein wird, wenn diese gefährliche
Reaktion an die Macht kommt.“ Die beeindruckende Bildwelt des Werner Scholz ändert sich
endgültig mit dem Jahr 1933. Sein in diesem Jahr entstandenes Triptychon „Das tote Kind“ weist
noch die beschriebene Malweise auf, wirkt aber in der absolut statischen Art der Darstellung des
menschlichen Dramas zeitlos. Das Bild wird später aus dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln
geraubt und auf der Femeschau „Entartete Kunst“ 1937 in München vorgeführt. Auch andere
Bilder des Künstlers werden konfisziert, unter anderem aus dem Kronprinzenpalais in Berlin.
Heute noch hängen Gemälde des Künstlers im Kunstmuseum Lyon und in der Eremitage in St.
Petersburg, dort zwischen Bildern Wassily Kandinskys und Alexej Jawlenskis. Die „Antigone“ in
der Ausstellung hat das Folkwang – Museum Essen ausgeliehen.
Das Gemälde „Die Vertriebenen“ von 1933 zeigt eine eng zusammengedrückte Gruppe von fünf
Menschen, die sich ineinandergeschoben nach links wenden. Nur Oberkörper und Köpfe füllen
das Bild. Sinnstiftend ist nicht ein Gehen, sondern ein Drängen. Die wenig aufgehellten Farben
bewegen sich zwischen Schwarz und Dunkelblau. Dargestellt ist eine jüdische Familiengruppe, die
ihre Heimat verlassen muss. Es ist der Exodus einer dem Künstler bekannten Familie, deren

Namen heute keiner mehr kennt und die deshalb für alle anderen stehen kann. Wenn es noch
eines Argumentes bedurft hätte, um die bewusste Verarbeitung und Kommentierung der
Gegenwart durch den Künstler zu belegen, dann ist es dieses Bild. Es wurde zuerst im Märkischen
Museum Wuitten ausgestellt, dem heute auch das Bild gehört.
1939 flieht Scholz nach Alpbach in Tirol, unweit von Innsbruck, und überlebt dort den folgenden
Weltenbrand. Der kirchenferne Gläubige gestaltet 150 Blätter zum Alten Testament, zum Beispiel
die „Offenbarung Johannes“ die sich in der Albertina in Wien befindet.
1955 ereilt Scholz der Ruf nach Essen, um für die Krupp – Werke ein Bild zu gestalten. Die Bilder,
die Scholz danach malt, lassen erkennen, dass er die künstlerischen Entwicklungen der
Nachkriegszeit registriert und teilweise einbindet. Der Weg weist also allen Zeitläuften zum Trotz
eine Entwicklung dieses Künstlers des Jahrgangs 1898 von der Hochschule für Bildende Künste in
Berlin und seinen Vorbildern aus dem Expressionismus über inhaltlich dokumentarische Werke bis
zu expressiven Nachkriegsbildern auf. Scholz hat Ausstellungen in Wien, Innsbruck, Salzburg, San
Francisco, , Pasadena, Paris, Lyon und in vielen deutschen Museen. Aber nachdem das
Märkische Museum Witten 2008 seine Bilder ausstellte, hat es in den letzten zehn Jahren keine
weiter Einzelausstellung dieses außergewöhnlichen Expressionisten gegeben.
Die meisten der gezeigten Bilder sind Privatbesitz, meist aus den Städten des Ruhrgebietes, und
deshalb nicht öffentlich zu sehen.

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